Einführung einer neuen Pflege-Software: Förderung digitaler Kompetenz im Peer-to-Peer-Ansatz

Von Januar 2021 bis April 2021 erfolgte in den drei stationären Altenhilfeeinrichtungen der Stift Tilbeck GmbH mit rund 200 Mitarbeitenden eine Umstellung der pflegerischen Fachsoftware. Alle Mitarbeitenden waren bereits geübt im Umgang mit der digitalen Dokumentation, mussten jedoch „umlernen“, um die neue Software kompetent anwenden zu können. Zur Koordination der Umstellung wurde zunächst eine Projektgruppe gebildet, deren Auftrag in erster Linie die Formulierung von Anforderungen an die Software war. Zentral waren dabei die Fragen „Wie wollen wir künftig was dokumentieren?“ „Wie bilden wir das möglichst benutzerfreundlich im System ab?“ Als Mitglieder der Projektgruppe wurden die Einrichtungsleitungen und Pflegedienstleitungen der Einrichtungen, das pflegerische Qualitätsmanagement (da eine Verknüpfung der pflegerischen Fachsoftware mit dem digitalen QM-Handbuch erfolgen sollte), Vertreter*innen der IT-Abteilung des Unternehmens sowie Vertreter:innen des sozialen Dienstes der Einrichtungen berufen. Die Umsetzung des Projektes wurde kontinuierlich durch die MAV begleitet. Nach der Entwicklung eines Lastenheftes für den Softwareanbieter, in dem konkrete Anforderungen der Einrichtungen bezüglich der Dokumentation an das neue System formuliert wurden, erfolgte die Ausarbeitung eines Schulungskonzeptes für die Mitarbeitenden. Um die Kompetenzen der Mitarbeitenden im Umgang mit der neuen Software möglichst berufsgruppenspezifisch zu gestalten, wurden Peers aus den Bereichen Pflege und sozialer Dienst durch den Software-Anbieter zu „Key-Usern“ ausgebildet. Diese „Key-User“ schulten im Anschluss an ihre eigene Ausbildung ihre Peers. Hierbei wurde schrittweises in einem 14-tägigem Rhythmus vorgegangen:

- Stammdaten einpflegen

- SIS und Maßnahmenplan

- Tagesaktuelle Dokumentation (Vitalwerte, Medikamente, etc.)

Zunächst wurden die Key-User (mind. eine Person je Wohnbereich) durch den Software-Anbieter geschult, wobei individuell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Mitarbeitendengruppe eingegangen (PFK, PK, sozialer Dienst) wurde. Ein sich daraus ergebender Vorteil ist, dass die Key-User die Bedarfe der eigenen Peer-Group kennen und somit gezielt den eigenen Arbeitsbereich betreffende Fragen stellen, wodurch eine bedarfsgerechte Schulung sichergestellt wird. Im Anschluss an die eigene Schulung führten die Key-User Schulungen der Kolleg*innen/ Peers bis zur nächsten Fortbildung durch den Softwareanbieter durch. Da die Key-User wissen, worauf es für die jeweilige Gruppe tatsächlich „ankommt“, stehen die relevanten Inhalte im Mittelpunkt der Schulung. Ein Vorteil des Peer-Konzeptes liegt in dem hohen Vertrauen, das der Key-User in seiner Peer-Gruppe genießt. Des Weiteren sind die konkreten Arbeitsanforderungen innerhalb der Gruppe bekannt und es bestehen durch die bisherige Zusammenarbeit persönliche Kontakte. Key-User können dadurch auch auf individuelle Bedürfnisse von Kolleg*innen bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen eingehen. Für die Key-User gilt bei der Durchführung von Schulungen, dass sie bezüglich ihrer eigenen Kompetenzentwicklung vom Konzept des „Lernens durch Lehren“ profitieren. Um die Softwareumstellung realisieren zu können, wurden in allen Einrichtungen Schulungsräume mit entsprechender Hardware-Ausstattung bestückt. Während der einzelnen „Modul-Schulungen“ wurden durch die Mitarbeitenden Daten direkt vom alten System ins neue übertragen, wodurch die Mitarbeitenden direkt in ein „Tun“ übergegangen sind und sich zügig mit der neuen Software vertraut machen konnten. Um die Übertragung der Daten vom alten ins neue System zu erleichtern, wurden sämtliche PC-Arbeitsplätze im Schulungsraum mit zwei Monitoren ausgestattet, so dass alte und neue Fachsoftware gleichzeitig geöffnet werden konnten und relevante Daten mittels „Copy and Paste“ übertragen werden konnten. Im Anschluss an erfolgte Schulungen wurde allen Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben, die neu eingepflegte Dokumentation in Räumen außerhalb des Wohnbereiches nachzubearbeiten. Dazu wurden sie stundenweise vom Dienst auf dem Wohnbereich freigestellt. Aus der Vorgehensweise ergaben sich auch Nachteile: Da die Fortbildungen für alle Mitarbeitenden verpflichtend waren, entstand ein hoher personeller Aufwand für die Einrichtungen, der in den drei Monaten der Umstellung koordiniert und abgefangen werden musste. Dennoch überwiegen die Vorteile, da alle Mitarbeitendengruppen erreicht wurden und „im Tun“ den kompetenten Umgang mit der neuen Software einüben konnten. Im Anschluss an jede Schulung wurden durch den Softwareanbieter individuell für die Einrichtung erstellte Schulungsunterlagen zunächst den Key-Usern zur Verfügung gestellt. Diese Unterlagen sind im Anschluss an die Implementierung der Software für alle Mitarbeitenden im Intranet aufrufbar. Um die Weiterentwicklung über den Projektstatus hinaus sicherzustellen, werden die Key-User weiterhin als solche in den Einrichtungen eingesetzt. Zudem werden über das von zwei Pflegedienstleitungen getragene Anschlussprojekt „Nachhaltigkeit“ sowohl die einrichtungsindividuelle Weiterentwicklung der Software sowie die mit dieser Weiterentwicklung erforderliche Kompetenzförderung der Mitarbeitenden dauerhaft vorangetrieben.